Der Sturz durch eine Glastür aufgrund eines Stoßes durch einen anderen Schüler A hatte für den Geschädigten B nicht unerhebliche Folgen. Er musste ärztlich versorgt werden, zwei tiefe Schnittwunden am Rücken wurden genäht, nachdem alle Glassplitter entfernt waren, zum Glück waren lebenswichtige Organe nicht geschädigt. Erhalten bleiben dem Geschädigten B zwei lange Narben auf seinem Rücken, und das ausgerechnet vor den Sommerferien. Im Alter von 16 Jahren betrachtet ein Junge solche Narben als dauerhafte Entstellung.
Der Staatsanwalt sah von einer Verfolgung wegen fahrlässiger Körperverletzung gem.
§ 45 Absatz 1 JGG ab, da die Schuld des Jugendlichen A bei Berücksichtigung seiner sonstigen Führung als gering anzusehen war und er durch das bisherige Verfahren ausreichend belehrt und gewarnt worden ist.
Festgestellt war jedoch der Tatbestand einer fahrlässigen Körperverletzung, in der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft fand sich der Hinweis, dass etwaige zivilrechtliche Ansprüche des Verletzten nicht berührt werden.
Zivilrechtliche Ansprüche könnten sich aus den § 823 Absatz 1, 823 Absatz 2 BGB i.V.m.
§ 229. StGB, §§ 249,253 BGB ergeben.
A hat rechtswidrig und schuldhaft eines der geschützten Rechtsgüter – hier Körper und Gesundheit des B – verletzt. Zu prüfen ist, ob die in den meisten Fällen bereits indizierte Rechtswidrigkeit der Verletzungshandlung ausgeschlossen ist z.B. durch eine Einwilligung des Verletzten B. War die Verletzung eine unbeabsichtigte Folge einer Rangelei auf dem Schulhof oder einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen A und B, scheidet ein Anspruch des Verletzten auf Schmerzensgeld aus. Ebenso, wenn A durch B provoziert worden war und in Notwehr gehandelt hat.
Im konkreten Fall hatte Schüler A den B so stark geschubst, dass dieser in die Glastür gefallen war, es handelte sich nicht um eine Rangelei oder ähnliches, die Handlung des A war rechtswidrig.
A handelte auch schuldhaft, denn die zivilrechtliche Verschuldenshaftung umfasst nach der Systematik des Gesetzes Vorsatz und Fahrlässigkeit. Zusätzlich ist die Zurechnungsfähigkeit als Verschuldenselement erforderlich. Sowohl A als auch B waren zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung noch minderjährig. Nach § 828 Absatz 3 BGB ist ein Minderjähriger für den Schaden, dem er einem anderen zufügt, verantwortlich, wenn er bei Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat.
Dem siebzehnjährigen, geistig normal entwickelten A war bewusst, dass ein Stoß des B gegen die Glastür gefährlich für dessen Körper und Gesundheit sein kann, er war also durchaus in der Lage, die Gefährlichkeit eines solchen Tuns vorauszusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln.
Der anwaltliche Vertreter des Geschädigten B versuchte, sich mit A und dessen Erziehungsberechtigter außergerichtlich zu einigen und eine für beide Parteien vertretbare Lösung zu finden. Schädiger A erschien jedoch nicht mit der Erziehungsberechtigten zum vereinbarten Termin. Der A glaubt, mit der strafrechtlichen Verwarnung sei die Angelegenheit für ihn erledigt, die Erziehungsberechtigte verweist auf die Tatsache der Vermögenslosigkeit ihrer Familie in der Hoffnung, dadurch von möglichen Ansprüchen des Geschädigten B verschont zu bleiben.
Zwar werden bei einer strafrechtlichen Verurteilung die Vermögensverhältnisse bei der Bemessung einer Geldstrafe berücksichtigt, bei A, der zur Tatzeit noch Jugendlicher war, kam eine Geldstrafe nicht in Betracht.
Zivilrechtlich gilt jedoch immer noch der Grundsatz „Geld hat man zu haben.“, jedenfalls führt der Hinweis auf Vermögenslosigkeit nicht zu einem Haftungsausschluss per se, auch nicht ohne weiteres zu einer Haftungseinschränkung, auch wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schädigers zu berücksichtigen ist. Eine Haftungseinschränkung kommt in Betracht, wenn ein Mitverschulden des Geschädigten vorliegt. Zu prüfen ist unter Umständen auch eine Einschränkung der Haftung gem. § 242 BGB, da eine unbegrenzte Haftung des Minderjährigen zu einer Existenzvernichtung führen kann und dagegen verfassungsrechtliche Bedenken bestehen könnten.
In einem Fall, den das OLG Celle (9 U 159/01) zu entscheiden hatte, verlangte ein 14-jähriger Geschädigter, dessen Freund ihm mit einer Schreckschusspistole aus Versehen ein Auge zerstört und einen offenen Schädelbruch beschert hatte, von diesem ein Schmerzensgeld in Höhe von 38.000 €. Das erkennende Gericht erklärte die Forderung des Geschädigten für berechtigt und in der Höhe angemessen. Es gehe um fahrlässige Körperverletzung und ein 14-jähriger sei reif genug, die Gefährlichkeit einer solchen Waffe zu erkennen, er hätte auf keinen Fall die Waffe aus kurzer Distanz auf das Gesicht seines Freundes richten dürfen. Auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die erhebliche finanzielle Belastung eines Minderjährigen wies das OLG zurück, der Verletzte sei ebenfalls minderjährig und habe nun lebenslang fortwirkende Schäden zu tragen.
Den Geschädigten B erinnern zwei lange Narben auf dem Rücken für immer an den Sturz durch die Glastür, diese könnten eine nicht unerhebliche dauerhafte Entstellung darstellen, was sich auf die Höhe des zu leistenden Schmerzensgeldes auswirkt. Bei der Bemessung eines angemessenen Schmerzensgeldes sind sämtliche Umstände des Einzelfalls heranzuziehen, insbesondere das Ausmaß und die Schwere der psychischen und physischen Störungen, das Maß der Lebensbeeinträchtigungen, die Dauer und Heftigkeit der erlittenen Schmerzen und ob Behinderungen oder Entstellungen dauerhaft verbleiben.
Ich studiere Jura in Schweden und nehme derzeit an einem Studentenaustauschprogramm teil, um mein Verständnis des internationalen Rechts zu vertiefen und die Feinheiten des deutschen Rechtssystems kennenzulernen. Ich absolviere ein Bachelorstudium der Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Durch meine internationale Ausbildung bringe ich eine neue Perspektive in meine Lehrveranstaltungen ein und versuche, die Besonderheiten des deutschen Rechts zu erfassen.