Arbeitszeitkonten

Bedeutung von Arbeitszeitkonten in Vergütungsprozessen

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Mit Urteil vom 23.09.2015 – 5 AZR 767/13 – klärt das Bundesarbeitsgericht (BAG) einige Rechtsfragen zu Arbeitszeitkonten. Es hat in diesem Zuge mehrere Leit- bzw. Orientierungssätze aufgestellt:

1.

Die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit steht weder der Führung eines Arbeitszeitkontos entgegen noch schließt sie die Abgeltung eines aus Mehrarbeit des Arbeitnehmers resultierenden Zeitguthabens aus. (amtlicher Leitsatz)

Im vom BAG zu entscheidenden Fall hatte der Arbeitgeber zwar einerseits ein Arbeitszeitkonto geführt und darin auch Überstunden für den Arbeitnehmer aufgenommen, andererseits behauptete der Arbeitgeber im Prozess aber es sei Vertrauensarbeitszeit vereinbart gewesen, weshalb das Arbeitszeitkonto keine Wirksamkeit entfalte. Das BAG erteilte dieser Rechtsansicht eine klare Absage und stellte fest, dass „Vertrauensarbeitszeit“ nur bedeute, dass der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichte und darauf vertraue, der betreffende Arbeitnehmer werde seine Arbeitspflicht in zeitlicher Hinsicht auch ohne Kontrolle erfüllen. Die Abgeltung eines aus Mehrarbeit des Arbeitnehmers resultierenden Zeitguthabens schließe dies aber nicht aus.

2.

Weist der Arbeitgeber in einem Arbeitszeitkonto Guthabenstunden vorbehaltlos aus, stellt er damit das Guthaben streitlos. Eine Geltendmachung zur Wahrung von Ausschlussfristen ist in diesem Fall auch dann entbehrlich, wenn sich das Guthaben in einen Zahlungsanspruch wandelt. (Orientierungssatz des Gerichts)

Dieser Orientierungssatz ist in zweierlei Hinsicht für Arbeitnehmer und Arbeitgeber äußerst wichtig. Das BAG stellt klar, dass das vorbehaltlose Ausweisen von Guthabenstunden in einem Arbeitszeitkonto dazu führt, dass das Zeitguthaben nur in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrückt. In so einem Fall genügt für die Schlüssigkeit einer Klage, die auf Ausgleich des Guthabens auf einem Arbeitszeitkonto gerichtet ist, dass der Kläger die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos und das Bestehen eines Guthabens zum vereinbarten Auszahlungszeitpunkt darlegt. Da den Arbeitnehmer im Rahmen von Überstundenvergütungsprozessen normalerweise die volle Darlegungs- und Beweislast trifft (vgl. auch unseren Artikel Durchsetzen von Überstundenvergütung) stellen die geringen Anforderungen an den Arbeitnehmer bei Arbeitszeitkonten einen entscheidenden Unterschied dar.

3.

Will der Arbeitgeber im Nachhinein den auf dem Arbeitszeitkonto vorbehaltlos zugunsten des Arbeitnehmers ausgewiesenen Saldo erheblich bestreiten, obliegt es ihm im Einzelnen darzulegen, aufgrund welcher Umstände der ausgewiesene Saldo unzutreffend sei oder sich bis zur vereinbarten Schließung des Arbeitszeitkontos reduziert habe. Erst dann hat der Arbeitnehmer vorzutragen, wann er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen habe, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt. (Orientierungssatz des Gerichts)

Wie bereits weiter oben ausgeführt, weicht das BAG bei Arbeitszeitkonten erheblich von der sonst üblichen Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers ab und erlegt dem Arbeitgeber diese auf, sofern er den Saldo nicht anerkennen möchte.

4.

Beruft sich der Arbeitnehmer zur Begründung eines Anspruchs auf Abgeltung eines Zeitguthabens nicht auf ein vom Arbeitgeber geführtes Arbeitszeitkonto, sondern auf selbst gefertigte Arbeitszeitaufstellungen, hat er die den behaupteten Saldo begründenden Tatsachen im Einzelnen darzulegen. Erst wenn dies geschehen ist, hat sich der Arbeitgeber hierzu zu erklären. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Arbeitgeber die Führung eines Arbeitszeitkontos vertragswidrig unterlassen hat. (Orientierungssatz des Gerichts)

Gibt es kein Arbeitszeitkonto, selbst wenn ein solches zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart war, geht die Darlegungs- und Beweislast wieder vollständig auf den Arbeitnehmer über. Die reine Anfertigung von Arbeitszeitaufstellungen reicht zur Darlegung nicht aus, der Arbeitnehmer muss vielmehr genau wie im Überstundenvergütungsprozess (siehe hierzu auch: Durchsetzung von Überstundenansprüchen) konkret vortragen und im Zweifel alle Voraussetzungen zu beweisen.

Als Fazit kann somit festgehalten werden, dass Arbeitnehmer bei einem vom Arbeitgeber geführten Arbeitszeitkonto deutlich höhere Chancen haben, offene Vergütungsansprüche prozessual durchzusetzen, als dies ohne Arbeitszeitkonto bei offenen Überstundenansprüchen der Fall wäre.

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